Gegen frauenverachtendes Verhalten
Kundgebung, Montag 22.6.2020, Landhausplatz Innsbruck
Redebeitrag von Elisabeth Grabner-Niel
Es ist schon so viel zu dieser leidigen Angelegenheit gesagt worden: vor nicht allzu langer Zeit wurde eine im Umweltschutz engagierte kompetente Fachfrau vom zuständigen Landespolitiker in aller Öffentlichkeit beleidigend angesprochen. Die hier zutage getretene Respektlosigkeit ist unglaublich, und die Empörung teile ich voll.
Ich danke jenen, die diese Kundgebung heute initiiert haben, die vielen, die in Leser*innenbriefen ihren großen Unmut darüber geäußert haben und mit Nachdruck darauf verweisen, dass jemand, der solcherart auf eine zivilgesellschaftliche Eingabe reagiert, nicht die erforderliche soziale Kompetenz für ein Regierungsamt besitzt und somit fehl am Platz ist.
Der Umstand, dass es eine Frau wagte, sich beim Vortragen ihres Anliegens nicht unterbrechen zu lassen sondern ihr Wort und ihre Stimme beibehielt, ist offenbar eine große Provokation. Wohlgemerkt: Wir schreiben das Jahr 2020 und schon seit Jahrzehnten ist das Thema “Gewalt in der Sprache” – vor allem Frauen gegenüber – bekannt, wissenschaftlich bestens untersucht und belegt, und wird auf allen Ebenen – im Privaten, in den Medien, in der Politik und im Erwerbsleben – immer wieder bei entsprechenden Anlässen besprochen. Wer nur etwas an Sensibilität besitzt und sich Gedanken darüber macht, warum sich in unserer Gesellschaft die Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern kaum verändern, wird ganz schnell auf die alltägliche Gewalt in der Sprache als einem zentralen Element dieser Ungleichheit kommen. Daran ändert die Gleichheits-Rhetorik, die bei entsprechenden Vorfällen rasch als Lippenbekenntnis dargeboten wird, genau NICHTS. Das oft vorgebrachte Argument “Da sind wir schon längst drüber, das ist ein alter Hut und Frauen haben das gleiche sprachliche Gewicht” trifft eben keineswegs zu.
Auch dieses Mal waren die VertreterInnen der politischen Entscheidungsebene bald auf dieser Schiene, mit dem Vermerk: Es war ein “Ausrutscher” – “eigentlich schätzen wir unsere Mitbürgerinnen SEHR”. So tönt es aus der Tiroler Regierungsriege und aus der Heimatpartei des Landesrates, bis auf eine einzige Ausnahme: die ehemalige Frauenministerin Rauch-Kallat benannte diese Respektlosigkeit und Beleidigung ganz klar und führte auch die Konsequenzen ganz eindeutig an.
Aber es war nicht nur der Versuch des Unterbrechens – was noch darauf gesetzt wurde, war eine unerhörte Beschimpfung, als diese Unterbrechung nicht gelang. Ein solches Verhalten disqualifiziert in meinen Augen eine politisch verantwortliche Person. Da nützen pseudo-Schulungen in Geschlechtersensibilität nichts, falls diese je besucht wurden. Hier geht es um Haltungen, um Respekt im Umgang mit anderen, um ein Wissen und ein Gespür um die Machtmechanismen, die die bestehenden Ungleichheiten weiterhin aufrecht erhalten. In der Rechtfertigung im Nachhinein wurde zusätzlich noch eine Umkehrung der Tatsachen versucht: Die Umweltaktivistin hätte den Landesrat unterbrochen, die Tonaufnahmen belegen aber das Gegenteil.
Dieser Vorfall wurde bekannt, weil er aufgezeichnet wurde. Aber wie viele derartigen Vorfälle passieren ständig, ohne dass ein Mikrophon dabei ist. Und genau diese alltäglichen Erfahrungen der Gewalt in der Sprache und in der Kommunikation, die Frauen machen, wenn sie sich ihre eigene Meinung bilden und ihre eigenen Anliegen durchzusetzen getrauen, untergraben nach und nach die Motivation und die Energie, um sich weiterhin zu engagieren. Dieses Verhalten, das wir heute hier besprechen, ist genau der Grund dafür, warum in der Politik Frauen nicht ihrem Anteil gemäß vertreten sind. Auch dies belegen wissenschaftliche Untersuchungen. Es ist nicht ihr mangelnder Wille sich zu involvieren und für Anliegen einzutreten und politisch zu handeln. Es ist die permanente Abwertung, das Überhört-Werden, das Unterbrochen-Werden, das Nicht-Ernst-genommen-Werden.
Es muss sich die Politik ändern und nicht die Frauen, damit wir einer gleichberechtigten Gesellschaft ein Stück näher kommen. Für die gleichberechtigte Gesellschaft ist eine anteilsmäßige Präsenz von Frauen unabdingbar. Leisten Sie Ihren Beitrag dazu, Herr Landesrat, das wäre die glaubwürdigste Konsequenz aus diesem Vorfall.
Elisabeth Grabner-Niel ist Vorstandsmitglied im AEP Arbeitskreis Emanzipation und Partnerschaft, hat in Tirol die Kampagne für das Frauen*Volksbegehren 2018 koordiniert und ist in der f*v aktiv. Beruflich war sie lange Jahre an der Uni Innsbruck als Koordinatorin im Bereich Gender-Studies und hat maßgeblich mitgewirkt, das Interfakultäre Masterstudium Gender, Kultur und Soziale Wandel zu entwicklen und die Gender Studies in die universitären Lehrpläne zu integrieren.
Foto: Susanne Gurschler
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