Förderschwerpunkt "Erinnerungskultur": Land Tirol stellt 500.000 Euro bereit
Am 4.10.13 wurde das vom Land Tirol in Auftrag gegebene Gutachten des Historikers Michael Wedekind zur Tiroler Volkskultur in der NS-Zeit veröffentlicht. Anlass für das Gutachten waren Diskussionen rund um eine CD-Veröffentlichung des Instituts für Tiroler Musikforschung mit Werken des Tiroler Komponisten Josef Eduard Ploner. Die Rolle von Ploner in der NS-Zeit - er war glühender Anhänger der Nazi-Ideologie und hat u.a. das Gauliederbuch "Hellau" herausgebracht - wurde im Zusammehang mit der Veröffentlichung völlig ausgeblendet.
Wedekinds Analyse der Tiroler Volkskultur, schreibt Ivona Jelcic in der Tiroler Tagszeitung, reißt ein weites Feld auf: "Von Volkskulturverbänden, die, so Wedekind, „namhaften Anteil an Mythisierung und Idealisierung nationalsozialistisch belasteter Künstler haben“ über die Trachtenverbände als „Träger eines nationalistisch geprägten Wertesystems“ weit über die NS-Zeit hinaus bis hin zur Kulturpolitik, die – als Subventions- und Auftraggeber – die so genannte „Elitenkontinuität“ nach 1945 weit mehr als nur begünstigt hat. Als ein „gewichtiges Forschungsdesiderat“ bezeichnet das Gutachten wohl nicht nur deshalb die „Verflechtungen zwischen politischen Akteuren und den (öffentlich bezuschussten) Milieus organisierter Volkskultur“."
Das Land Tirol reagiert auf das Gutachten mit der Einrichtung eines neuen Förderschwerpunkts zur Erinnerungskultur und stellt für den Zeitraum von 2014 bis 2018 500.000 Euro für Projekte zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte der Tiroler Volkskultur und ihrer Rolle im Nationalsozialismus zur Verfügung.
Michael Wedekind plädiert in einem Interview für eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung von politischen, zumeist antidemokratischen Aufladungen und historischen Instrumentalisierungen von Volkskultur. "Es dreht sich um ein martialisches, militaristisches, in Geschlechterbildern überwiegend maskulin bestimmtes Gepräge. Und um die hiermit verbundenen dumpfen Untertöne einer regionalnationalistischen Erregtheit vor dem Hintergrund des ebenfalls nicht hinreichend aufgearbeiteten Südtirol-Themas. All das wird ja in einer geradezu ermüdenden Rhetorik von angeblicher Modernität und Offenheit in der organisierten Volkskultur fortgesetzt. Durch wechselseitige Selbstversicherungen zwischen Politik und Verbänden, durch Auszeichnungen und ein System von gegenseitigen Anerkennungen. Politikwissenschafter würden wohl von Tauschvorgängen sprechen und damit im weitesten Sinne einen Klientelismus meinen." (vgl. TT vom 4.11.13) LH Günther Platter nimmt Stellung: "Lasse mir Tradition nicht kriminalisieren" (vgl. TT vom 6.11.13)
KulturGespräch auf Freiad 105.9
KulturTon vom 4.12.13
Das Gespräch zum Nachhören: http://cba.fro.at/251036