Stellungnahme zu Innsbrucks Bewerbung als Songcontest-Austragungsort
Wo man singt, da lass dich nicht nieder
Stellungnahme der bættlegroup for art anlässlich der Bewerbung der Stadt Innsbruck als Austragungsort des Eurovision Song Contest 2015
Event, Event, eventuell. Ob Innsbruck den Zuschlag für die Austragung des Eurovision Song Contest (ESC) 2015 erhält, ist noch unsicher. Die Entscheidung soll Ende Juli getroffen werden. Fest steht aber, dass sich die Stadt dafür beworben hat und – wie den Medien zu entnehmen ist – ein überaus attraktives Angebot gestellt hat: 10 Millionen Euro (in Sach- und Geldleistungen) will man von Seiten der Stadt Innsbruck, des Tourismusverbandes und des Landes Tirol in das laut ORF-Berechnung rund 25 Millionen Euro teure Großevent fließen lassen. Das ist rund das Achtfache der jährlichen Ausgaben des Landes Tirol für den Bereich „Kulturinitiativen, -zentren“ (2013: 1,275.517,17 Euro laut Kulturbericht 2013).
Während bei Stadt und Land die Kulturbudgets, insbesondere die Ermessensausgaben, stagnieren und kaum Spielraum für Indexanpassungen, geschweige denn die Erhöhung der Förderungen für bestehende Initiativen oder die Finanzierung neuer Projekte bieten, scheint es angesichts von Großevents kein Problem zu sein, aus dem Stand heraus enorme Geldsummen locker zu machen. Deutlich zeigt sich also: Wo ein politischer Wille, da ein Weg! Ebenso deutlich zeigt sich, wo dieser Wille fehlt: Selten und in keiner Weise ausreichend wird von kulturpolitischer Seite berücksichtigt, dass es im Bereich der freien Kulturarbeit an Geld mangelt. Die Kosten steigen laufend. Indexsteigerungen, Mieterhöhungen, ansteigende Erhaltungskosten samt Gehaltskosten bei sinkenden bzw. maximal gleich bleibenden Förderungen führen dazu, dass die Situation für viele Kultureinrichtungen und -projekte in freier Trägerschaft immer prekärer wird.
Die Lage ist den verantwortlichen KulturpolitikerInnen durchaus bekannt und bewusst. Allein, es fehlen entsprechende Reaktionen. Oft argumentieren sie Kulturschaffenden gegenüber damit, dass sie sich eh auch mehr Geld für die Kultur wünschen würden, aber man halt nichts machen könne. Völlig unglaubwürdig, ja zynisch, werden solche Argumente, wenn vorexerziert wird, dass ganz plötzlich doch Geld vorhanden ist, viel Geld nämlich. Aber dieses Geld wird lieber in eine große kommerzielle Veranstaltung wie den ESC investiert – und dadurch auch eine durchaus fragwürdige kulturelle Praxis enorm aufgewertet, während die freie Szene, die mit ihren Kulturarbeit einen unerlässlichen Beitrag für Stadt und Land leistet, vom großen Geld nur träumen kann.
Und weitere fatale Signale werden mit Großevents an die Kulturschaffenden, vor allem aber auch an die gesamte hier lebende Bevölkerung gerichtet: Dass man sich nämlich vom Anspruch auf Gemeinwohlorientierung, von tragfähigen langfristigen Konzepten und nachhaltigen Investitionen verabschiedet. Für die Durchführung von Events wie den ESC zählen primär (kurzfristige) ökonomische Argumente und Marketinginteressen. „Umwegrentabilität“ oder „Wirtschafts- bzw. Tourismusstandort“ sind die mit Hoffnung gefüllten Schlagwörter. „Ziel ist, diese einmalige Chance für das Tourismusland Tirol zu nutzen“, wird Landeshauptmann Günther Platter etwa am 4. Juli 2014 im Kurier zitiert. Aber mal ehrlich: Wer fährt nach Düsseldorf, nur weil dort 2011 der ESC stattfand?
Der Zusammenschluss von Innsbrucker Interessenvertretungen der freien Kulturszene, die bættlegroup for art, fordert eine nachhaltige Kulturpolitik für Innsbruck und das Land Tirol. Sie plädiert dafür, dem Kulturbereich insgesamt und vor allem der freien Szene mehr Wert beizumessen. Und fragt sich und die verantwortliche Kulturpolitik: Wenn es möglich ist, einige Millionen in ein Großevent zu investieren, warum nicht in die zeitgenössische Kultur? Kultur schafft Arbeit, Innovation, Standortvorteile und sozialen Mehrwert!
Informationen zur bættlegroup for art:
Die baettlegroup for art wurde 2004 in Innsbruck von Interessenvertretungen und Zusammenschlüssen im Kulturbereich gegründet: aut. architektur und tirol, GAV – Grazer Autorinnen Autorenversammlung Regionalgruppe Tirol, IG Autorinnen Autoren Tirol, IG Filmkunst Tirol, p.m.k / Plattform mobile Kulturinitiativen, Tiroler Künstlerschaft, TKI (Tiroler Kulturinitiativen – IG Kultur Tirol), Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ) sowie VertreterInnen der freien Theaterszene.
Anliegen der baettlegroup for art ist, die zentrale Rolle der Innsbrucker freien Kulturszenen aufzuzeigen und zu stärken.