Mobiles Denkmal für den unbekannten Deserteur
Gabriele Neudecker/Drehbuchwerkstatt Salzburg
Uns fehlen andere Tafeln
uns fehlt diese eine:
Hier lebte ein Mann, der sich geweigert hat
auf seine Mitmenschen zu schießen.
Ehre seinem Andenken!
- Kurt Tucholsky
Kurzbeschreibung
Tirol ist Vorreiter in Sachen Kunst! - In Tirol wurde das erste Denkmal für den unbekannten Deserteur errichtet. (In Wien ist ein Denkmal seit 2011 beschlossen, in Vorarlberg wird ein Denkmal für Deserteure der Wehrmacht diskutiert.) Unser "Mobiles Denkmal für den unbekannten Deserteur" gilt den Deserteuren der Wehrmacht und den Deserteuren aus gegenwärtigen Kriegs- und Krisengebieten. Früher wie heute ist die Verweigerung eines Individuums, die Desertion, eine in der allgemeinen Meinung höchst umstrittene Handlung. Deserteure gelten als verantwortungslos, feig oder als Vaterlandsverräter. Desertation und Kriegsdienstverweigerung bewirken in verschiedensten Kulturen und Ethnien gleichermaßen ein Stigma, das erfuhren auch die nach Österreich geflüchteten Deserteure aus gegenwärtigen Kriegs- und Krisengebieten, wie zum Beispiel Afghanistan, Uganda, Syrien, Bosnien, Serbien oder dem Irak. In der Bewertung und ihrem Umgang mit diesem Verhältnis definiert und offenbart sich das Wesen von Demokratie: Darf jemand von einem anderen verlangen, für einen Staat oder Machtzugewinn zu sterben? Ist es nicht längst Zeit, Desertation zu verteidigen, in all den Auseinandersetzungen und Kriegen, die aus Gründen von Machtgier, Bereicherung, religiösem Wahn oder Ausbeutung geführt werden? Und ist hier nicht die Kunst gefragt?
"Das Mobile Denkmal für einen unbekannten Deserteur unter der Leitung von Gabriele Neudecker (Drehbuchwerkstatt Salzburg) ist gegenläufig produktiv zu historisch gewachsenen Bildern des Deserteurs. In Mainstreamdiskursen gilt der Deserteur bis heute als kontraproduktiv: als feig, verantwortungslos, als „Vaterlandsverräter“. Im Gegensatz zu „Helden“ und „Opfern“ einer kriegerischen Auseinandersetzung wird dem Flüchtling und Abtrünnigen, dem der sich dem Kriegsgeschehen aktiv entzieht, praktisch nie öffentliche Anerkennung zuteil - mit Desertion ist kein „Staat“ zu machen. Dem entgegen erarbeiten die Künstlerinnen in Zusammenarbeit mit jungen Deserteuren aus aktuellen Krisenregionen und mit österreichischen Metallerlehrlingen ein interaktives, mobiles Denkmal, das im Jahr 2011 durch Tirol reisen und Debatten zu Desertion heute und gestern anregen wird." (TKI)
Konzept
Das Denkmal für den unbekannten Deserteur besteht im Korpus zur Gänze aus Spiegelblech – alle BetrachterInnen/PassantInnen, die sich dem Denkmal nähern, können sich SELBER sehen – denn bei Widerstand und Verweigerung geht es um jeden/jede Einzelne/n. Die Spiegelung der sich dem Denkmal nähernden Personen/BetrachterInnen/PassantInnen soll die Menschen darauf hinweisen, dass jede/r einzelne frei handeln, Widerstand leisten oder sich verweigern kann. Das Denkmal ist schmal – es kann sich immer nur ein Mensch auf einer Seite sehen, damit verweisen wir auf das Heraustreten aus einer Masse und aus von Krieg aufgezwungener Entindividualisierung. Die Spiegelung des isolierten eigenen Selbst bestimmt wesenhaft die Wirkungsweise des Denkmals und löst damit Mechanismen in der Reflexion. Der „Fuß“ bzw. die Verankerung des Denkmals besteht aus Silhouetten von gefallenen Soldaten – die aus Schwarzblech gelasert sind. Man kann sich dem Denkmal nicht nähern, ohne auf diese Gefallenen zu steigen. Zufällige PassantInnen werden vielleicht nicht einmal bemerken, dass sie auf diese menschlichen Silhouetten treten, aber sie hinterlassen auf dem Schwarzblech ihren Schuhabdruck… dieser Punkt ist sehr provokant – jedoch fragen wir: tritt nicht eine Gesellschaft auf junge Männer, die sie zum Soldatendienst zwingt? Bietet unsere Gesellschaft genügend Schutz für junge Männer – und auch Frauen – die sich dem Kriegsdienst verweigern, die aus Kriegsgebieten flüchten? Solange dies nicht gegeben ist, bedarf es dieser radikalen Inszenierung…
Aufstellung in Tirol
Unser "Mobiles Denkmal für den unbekannten Deserteur" soll öffentlichen Diskurs über Widerstand und Desertion anregen und vor allem „Kunst zum Anfassen und Partizipieren“ sein. Unser Denkmal kommt zu den Menschen, wir denken die Skulptur installativ als sich artikulierende Situation und nicht als Gegenstand. Wir erwarten uns durch temporäre Aufstellung eine größere Aufmerksamkeit an den Locations. Wenn die Aufstellung an verschiedenen Orten im Jahr 2011 in Tirol erfolgreich verlaufen ist, kann das mobile Denkmal auch in andere Bundesländer Österreichs wandern.