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Reclaim Your City: Redebeitrag EAT network

Reclaim Your City: Redebeitrag EAT network

Redebeitrag vom EAT network
Beitrag vom 10.01.2024
© Martin Kink

Die TKI versteht sich als kulturpolitisch gestaltende Organisation, die sich für die kontinuierliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für freie Kulturarbeit in Tirol einsetzt. In den „Themen“ sammeln wir Beiträge aus Kulturpolitik, Praxis und Theorie und machen damit Kunst- und Kulturprojekte, -menschen und -initiativen sichtbar. Im Laufe der nächsten Wochen veröffentlichen wir an dieser Stelle mehrere Redebeiträge zum Thema "Öffentlicher Raum", die am 7.11.2023 im Rahmen der Kundgebung "Reclaim Your City" gehalten wurden. Die Texte geben die Ansichten der jeweiligen Sprecher*innen wieder. Angesichts der Dringlichkeit des Themas erachten wir es jedoch als wichtig, den Redebeiträgen über die Kundgebung hinaus einen Raum zu geben.


Kundgebung "Reclaim Your City"
7.11.2023, Franz-Gschnitzer-Promenade
Redebeitrag EAT network: Barbara Alt und Patrizia Bianchi Scafetta

Wir sprechen heute hier im Namen des EAT network. Wir möchten uns kurz vorstellen, für diejenigen, die uns (noch) nicht kennen: EAT, das steht als Abkürzung für „Empower and Transform“. Wir sind ein feministisches Netzwerk, das sich Anfang des Jahres gegründet hat, aus dem Bedürfnis heraus, die Clubszene bzw. das Nachtleben in Innsbruck und Umgebung sicherer, inklusiver und diverser zu gestalten. Unser Netzwerk ist offen für FLINTA* DJs aller Genres sowie für Visual Artists, Producers, Licht- und Tonmenschen. Wenn wir FLINTA* sagen, meinen wir: Frauen, Lesben, inter*, nicht-binäre, trans und agender Personen – also Menschen, die in einer männerdominierten Szene nach wie vor unterrepräsentiert sind. Das Ziel von EAT ist das Sichtbarmachen unserer Künstler*innen und ein gegenseitiger Support auf Augenhöhe. Außerdem möchten wir aktiv zu einer Transformation der Szene beitragen.

Aus diesem Blickwinkel sind wir heute auch eingeladen hier zu sprechen: Wir stehen ein für Maßnahmen, die die Sicherheit von FLINTA* Personen im öffentlichen Raum gewährleisten – und dazu zählt sicherlich nicht, uns einen Ort nach dem anderen wegzunehmen.

Die feministische Perspektive lehrt uns, dass der öffentliche Raum für die Emanzipation von großer Bedeutung ist. Historisch gesehen waren und sind öffentliche Plätze und Straßen oft die Orte, an denen politische Auseinandersetzungen stattfinden. Frauen haben immer wieder für ihre Rechte gekämpft, indem sie diese Räume in Anspruch genommen haben. Die Straße als Raum des Protests und der politischen Aktivität ist ein zentrales Element feministischer Bewegungen weltweit.

Der öffentliche Raum ist aber vor allem auch ein Ort der Begegnung, der Vielfalt und des sozialen Miteinanders. Wir treffen aufeinander, wir sitzen im Freien beisammen, gehen gemeinsam aus, nehmen am kulturellen Angebot teil. Für viele von uns sind solche Räume essenziell – ein „sicherer Hafen“, ein Zufluchtsort, manchmal auch ein Ort, wo wir einfach wir selbst sein können. Für eine gleichberechtigte kulturelle Teilhabe ist der öffentliche Raum von zentraler Bedeutung, da er eine Plattform bietet, auf der Menschen ihre kulturellen Interessen und Identitäten ausdrücken können, unabhängig von sozialen, wirtschaftlichen oder physischen Barrieren. Wenn ein inklusiver und öffentlicher Raum als solcher wahrgenommen, erhalten und gefördert wird, kommen wir dem Ziel näher, unsere Gesellschaft gerechter zu gestalten und kulturelle Teilhabe für alle zu ermöglichen.

Doch in vielen Städten – wie auch hier in Innsbruck – sehen wir eine wachsende Tendenz zur Privatisierung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. Nicht nur, dass uns immer mehr Orte genommen werden. Auch bei den zugänglichen Orten gibt es die scheinbar „guten“, gewünschten Anlässe, im öffentlichen Raum aufeinanderzutreffen (Blasmusikkonzerte, Sportveranstaltungen, Promenadenkonzerte, Bergsilvester …) und es gibt die unerwünschten Anlässe, nämlich dann, wenn (großteils) junge Menschen zusammenkommen, Musik machen, tanzen und feiern – und dabei auch mal laut sind.

Orte wie der Hafen, Weekender, Dachsbau, die Talstation, Stadtsäle, das Stadtcafé, Hofgartencafé und nicht zuletzt das Sonnendeck hier verschwinden oder erfüllen inzwischen andere Zwecke, wieder anderen Orten wird durch behördliche Auflagen das Veranstalten fast unmöglich gemacht, und all das, so will man uns weismachen, sei alles ganz normal und niemand könne was dafür. Wir fragen uns: Wo bleibt der Aufschrei, der die Politik ein für allemal dazu zwingt, ihren Worten Taten folgen zu lassen? Ein Verlust all dieser Räume hat weitreichende Auswirkungen auf die Bevölkerung, insbesondere auf marginalisierte Gruppen, und insbesondere wenn man weiß, dass ein Rückzug ins Private speziell für FLINTA* Personen gefährlich sein kann.

Ein Rückzug ins Private bedeutet nämlich in erster Linie auch Unsicherheit für die Personen, die vulnerabel für (sexualisierte) Gewalt sind. Jede dritte Frau in Österreich wird Opfer sexualisierter Gewalt, wobei hier die hohe Dunkelziffer nicht unterschätzt werden darf. Fast 70 % davon passieren im privaten Raum. Die Zahlen zeigen, dass für vulnerable Personen in unserer Gesellschaft die Verschiebung von Feiern in den privaten Raum höchst riskant ist. Es ist kein Geheimnis, dass FLINTA*s auch bei halb-öffentlichen Partys einem Risiko ausgesetzt sind. Deshalb brauchen wir öffentliche Räume, die sicherer gestaltet werden, um auch jene Personen beim Feiern zu schützen.

Belästigungen, Übergriffe und die Angst vor solchen Vorfällen schränken die Freiheit und Mobilität von FLINTA* Personen immens ein, und wenn sie sich nicht sicher fühlen, diese Räume zu nutzen, werden ihre Stimmen zum Schweigen gebracht. Die Repräsentation und Partizipation von FLINTA* Personen im öffentlichen Leben wird dadurch eingeschränkt. Das ist inakzeptabel und steht im Widerspruch zu den Prinzipien einer offenen und gleichberechtigten Gesellschaft.

  • Ein solcher gleichberechtigter öffentlicher Raum erfordert die Schaffung von möglichst sicheren Orten, sogenannten „Safer Spaces“,
  • und das wiederum erfordert auch die Prävention von Belästigungen und Übergriffen sowie die Förderung von Bildung und Bewusstseinsbildung.
  • Es bedeutet, die Bedürfnisse und Perspektiven von jungen Menschen, FLINTA*s und marginalisierten Communities in der Stadtplanung zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass öffentliche Räume für alle zugänglich sind.
  • Es bedeutet, Förderungen nicht zu kürzen oder zu streichen, die dem Zweck der Sicherheit von FLINTA* Personen dienen.
  • Es bedeutet also, um es in aller Deutlichkeit zu sagen, dass Geld von politischer Seite in die Hand genommen werden muss, damit diese safer spaces zur Verfügung gestellt werden können. Es darf und soll nicht so sein, dass all diese Bemühungen, diese Arbeit, einzig und allein auf ehrenamtlichen Schultern lasten, und schon gar nicht auf den Schultern exakt derjenigen, die am meisten von den Auswirkungen einer solch nachlässigen Politik betroffen sind.

Der Titel der heutigen Kundgebung, "Reclaim your City“, fordert uns alle auf, den öffentlichen Raum für uns zu beanspruchen. Öffentliche Räume sind für alle da – konsumfreie Räume sind für alle da: Ob in Parks, auf dem Sonnendeck oder auf anderen Grünflächen – sie sind niederschwellig für alle Menschen zugänglich: Sie sind kostenfrei und für junge Menschen, Familien und auch die ältesten unserer Gesellschaft nutzbar. Nicht alle Menschen können es sich z. B. leisten, in ein Restaurant oder in eine Bar zu gehen, hier bieten konsumfreie Räume gerade im Sommer eine gute Alternative, um trotzdem am urbanen Leben teilzuhaben.

Zusammenfassend ist es uns also nicht nur ein Anliegen, sicherere Räume für FLINTA* Personen zu schaffen, sondern auch, den öffentlichen Raum demokratischer und inklusiver zu gestalten. Und letzten Endes bedeutet es, dass die Politik hier eine Verantwortung hat, der sie verdammt nochmal endlich nachgehen muss.

Der öffentliche Raum sollte ein Ort sein, an dem alle Bürgerinnen und Bürger gleichberechtigt teilhaben können. Es ist beschämend, dass dies nicht der Fall ist. Indem wir den öffentlichen Raum zurückerobern und aus feministischer Sicht neu gestalten, schaffen wir eine sicherere, gerechtere und inklusivere Stadt, in der alle Menschen ihre Rechte und Freiheiten ausleben können.

Das muss unser Ziel sein. Lasst uns gemeinsam den öffentlichen Raum zu unserem machen.

Vielen Dank.

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