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„Irgendwo dazwischen“

„Irgendwo dazwischen“

verfasst von Julia Springhetti
Beitrag vom 20.09.2023
Foto: Waldemar/unsplash

Lehrveranstaltung: Kulturinitiativen in Tirol

Im Sommersemester 2023 haben Andrea Perfler und Helene Schnitzer an der Uni Innsbruck eine Lehrveranstaltung zum Thema „Kulturinitiativen in Tirol“ gehalten. Unser Anliegen war es, den Student*innen Grundkenntnisse über das Feld der Kulturinitiativen zu vermitteln, ihnen einen Einblick in die Arbeitsweisen und Rahmenbedingungen der freien Kulturarbeit zu geben und sie für kulturpolitische Fragestellungen zu sensibilisieren. Für den Abschluss der LV mussten die Student*innen einen Blogbeitrag über eine Kulturinitiative in Tirol oder ein kulturpolitisches Thema nach Wahl schreiben. Einen Teil der Texte präsentieren wir hier auf der TKI-Webseite.

„Irgendwo dazwischen“ - Ein Einblick in die Kufsteiner Kulturlandschaft

verfasst von Julia Springhetti

Innsbruck zählt pro Jahr rund eine halbe Million Besucher*innen und gehört somit zu einer der beliebtesten Tourismusdestinationen Österreichs. Kitzbühel, St. Johann in Tirol und umliegende Gemeinden laufen in der Hauptsaison förmlich über, vor allem wenn es jedes Jahr aufs Neue heißt: „Aufe auf die Streif“ beim Kitzbüheler Hahnenkammrennen. Auch in Sölden, St. Anton am Arlberg, im Zillertal und in der Karwendel Region sieht es ähnlich aus. Doch war da nicht noch was?

Neben vielen anderen Tiroler Regionen reiht sich das Mittlere Unterinntal mit dem Bezirk Kufstein als ein Gebiet „irgendwo dazwischen“ – zwischen den touristischen Hotspots – ein. Im Winter kommen Tourist*innen etwa in die Seitentäler nach Alpbach, in die Wildschönau, nach Söll oder Ellmau zum Schifahren und im Sommer zum Wandern. Auch die Kufsteiner Festung und das Festspielhaus in Erl begrüßen zahlreiche Besucher*innen. Doch liegt diese Region irgendwo zwischen Sport und Kultur, irgendwo zwischen Städtetourismus und Skiurlaub, eben irgendwo zwischen Innsbruck und Kitzbühel.

Auch wenn man einen Blick weg vom Tourismus hin zur Kultur richtet, lassen sich klare Tendenzen erkennen: Selbst wenn der Großteil der kulturellen Einrichtungen Tirols im Umkreis von Innsbruck verortet sind, gibt es auch im Bezirk Kufstein zahlreiche Kulturorganisationen, deren Devise keineswegs "Quantität vor Qualität" ist. Deswegen werden in diesem Beitrag ausgewählte Vereine, deren Hintergründe und Wirken im Bezirk Kufstein vorgestellt.

Kulturwertschein statt Freigeld

Beginnen wir in Wörgl, einer Stadtgemeinde im Bezirk Kufstein mit über 14.000 Einwohner*innen. Wörgl ist in den Geschichtsbüchern vor allem für eines bekannt: das Wörgler Freigeld-Experiment. Dieses wurde in den 1920er Jahren vom damaligen Bürgermeister Michael Unterguggenberger ins Leben gerufen, um der Weltwirtschaftskrise mit einer regional bezogenen, umlaufgesicherten Komplementärwährung entgegenzuwirken. Der Wörgler Verein „Kulturzone“ griff diese Idee in der Krisenzeit der Corona-Pandemie auf. Zur Belebung der Wörgler Kulturszene wurde der „Guggi – Der Wörgler Kulturwertschein“, ins Leben gerufen, um in dieser schwierigen Zeit der Bevölkerung zu zeigen, wie wichtig gegenseitige Unterstützung und ehrenamtliches Engagement sind. Und genau dies verbindet der Guggi, nämlich ehrenamtliches Engagement und die Förderung von Kulturakteur*innen sowie die Unterstützung und Belebung von Kultureinrichtungen und Kulturinitiativen. Ein Guggi entspricht einem Euro und kann in der Zone – Kultur.Leben.Wörgl, beim InfoEck und dem Stadtmarketing Wörgl erworben und anschließend in allen bekannten Wörgler Kultureinrichtungen wie etwa dem Veranstaltungszentrum-Komma, der Stadtbühne oder beim Tiroler Kurzfilmfestival eingelöst werden. Somit fließt der Wert des Guggi-Kulturwertscheins wie beim Freigeld-Experiment zurück in die Wörgler Wirtschaft. Wenn der Guggi im Umlauf ist, kann er weiter verschenkt werden, da er nicht Personen gebunden ist.

Am 1. Juli 2023 fand im Wave Freizeitpark in Wörgl das „1. Guggi Kultur Fest“ statt, welches allen Wörgler Kulturschaffenden eine Bühne gab, um ihre Arbeit vorzustellen. Das Besondere an dieser Veranstaltung war, dass bei dem Guggi Kulturfest ausschließlich mit Guggi Kulturscheinen bezahlt werden konnte. Das neue Format wurde sehr gut angenommen und wird sich in den nächsten Jahren hoffentlich über noch erfolgreichere Wiederauflagen freuen.

Über die Grenzen hinaus

Gute 15 Kilometer innabwärts von Wörgl liegt die Bezirkshauptstadt Kufstein. Sie ist mit fast 20.000 Einwohner*innen die größte Stadt im Bezirk. Wenn man sich Kufstein ins Gedächtnis ruft, scheinen bei den meisten Personen wohl Bilder der imposanten Festung Kufstein auf, welche seit Jahrhunderten über der Stadt thront. Auch wenn die Festung viele Schätze, Kunst- und Kulturgüter beheimatet, verbergen sich auch außerhalb der Burgmauern wahre kulturelle Schätze, wie etwa der Verein „KlangFarben“.

Der gemeinnützige Kulturverein KlangFarben wurde 2013 zur Förderung von Musik aus den Bereichen Rock, Metal, Jazz, Blues, Worldmusic undAvantgarde gegründet sowie auch zur Förderung der bildenden Kunst. Das Hauptziel des Vereins ist die Organisation von Konzerten, darüber hinaus werden auch Cartoon- und Kunstausstellungen veranstaltet. Für diese Verdienste wurde der Verein 2019 als bester Event-Veranstalter in Kufstein ausgezeichnet, und obendrein wurde Obmann Michael Litzko das Kulturehrenzeichen der Stadt Kufstein verliehen. KlangFarben setzt auf die Aufführung von qualitativ hochwertigen Events und will die Menschen auf neue Musik und Künstler*innen aufmerksam machen.

Konzert der US-amerikanischen Band The Coup in der Kulturfabrik Kufstein. Bild: Thomas Weninger

Auch hat sich der Verein zum Ziel gesetzt, jedes Jahr ein soziales Projekt mit einer Benefizveranstaltung zu unterstützen. Bisher sind durch diese Veranstaltungen für den guten Zweck mehr als 22.000 Euro für soziale Einrichtungen, Hochwasserhilfen oder Kinder mit Behinderungen zusammengekommen. In den zehn Jahren, in denen der Verein besteht, konnte KlangFarben über 100 Veranstaltungen mit internationalen Gästen aus Japan, Korea, der Mongolei, Senegal, Mexiko, Kolumbien, USA usw. durchführen. Auch für das Jubiläumsjahr 2023 ist einiges geplant: Nach dem erfolgreichen Festival „The Art of Solo“ im Jahr 2022, startet der Verein nun in Anlehnung an dasFestival eine Konzertreihe, bei der jeweils zwei Künstler*innen ein Konzert spielen und nach den Soloacts eine Jam-Session stattfindet.

Kulturbar statt Gin &Tonic

Weg von Kufstein und weiter in den ländlichen Raum nach Breitenbach am Inn. Breitenbach ist eine Gemeinde im Bezirk Kufstein mit etwa 3.500 Einwohner*innen. Hier ist die Kulturbar Hoppala zu finden, ein Raum für Kunst und Kultur, in dem regelmäßig Events stattfinden mit dem Ziel, die kulturelle Vielfalt in der Region zu erweitern und zusätzliche Würze in das Kulturangebot des ländlichen Tirols zu bringen. Dabei wird ein Augenmerk auf die bunte Zusammenstellung des Programmes gelegt. So werden neben Kunstaustellungen und Konzerten auch interaktive Workshops, Story Telling Nights, Theatervorführungen und vieles mehr organisiert. Heuer fand etwa bereits ein Konzert der amerikanischen Sängerin Gail Anderson und des italienischen Musikers David Mana statt sowie ein Kreativ-Workshop, in dem Kinder Monster aus Müll basteln konnten. Und es kommt noch vieles mehr.

Bild: Jenny Gassl

Dies waren erst drei Beispiele von kulturellen Einrichtungen im Bezirk Kufstein und es lohnt sich ein noch genauerer Blick auf die Kulturlandschaft abseits der Landeshauptstadt. So lassen sich im Bezirk viele weitere spannende Kulturvereine und Initiativen finden wie z. B. „am Polylog – Verein zur Förderung und Vermittlung zeitgenössischer Kunst in Wörgl“, der „Kulturverein Nischenklänge“ oder „Spur. Verein zur Förderung zeitgenössischer Kunst & Popkultur“. Für diese Vereine ist es kein Nachteil, in einer Region abseits der Landeshauptstadt beheimatet zu sein, ganz im Gegenteil. Sie haben ihre dezentrale Lage s zu ihrem Vorteil gewandt, da es durch das beschränkte Angebot im Kunst- und Kulturbereich noch viel Platz zum Austoben und Ausprobieren gab und immer noch gibt. Diese ausgewählten Beispiele sollen stellvertretend für alle weiteren Kulturvereine stehen und als Vorbild und Inspiration dafür dienen, was alles möglich ist und noch kommen kann. Und all dies, „irgendwo dazwischen“ im Tiroler Unterland.

Julia Springhetti, Studium der Musikwissenschaften und des Wahlmoduls „Aktuelle Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Kunst – Kultur – Management“

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